Von der Sonne verwöhnt
Weinland Württemberg! Nicht nur der Genießer kann es sein: Auch Dichter und Denker waren über die hier wachsenden Weine begeistert. So schwärmte Friedrich Hölderlin: „Seliges Land! Kein Hügel in Dir wächst ohne den Weinstock.“ Und Friedrich Schiller reimte die rhetorische Frage: „Ein Württemberger ohne Wein, kann der ein Württemberger sein?“ Was also charakterisiert dieses viertgrößte Weinbaugebiet, aus dem ein Zehntel des deutschen Weins kommt?
Bemerkenswert ist schon mal die Tatsache, dass es neben der Weinbauregion Ahr die einzige deutsche ist, die mehr Rot- als Weißweine hervorbringt: Über 70 Prozent des Gesamtvolumens machen die schwäbische Spezialität Trollinger, der Schwarzriesling, Lemberger und Spätburgunder aus. Bei den Weißweinen aus Württemberg handelt es sich vor allem um Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner, Grauburgunder und Kerner.
Württemberg ist vor allem eines: von der Sonne verwöhnt! Hier werden im Schnitt die höchsten Temperaturen Deutschlands gemessen und rund 1.700 Sonnenstunden im Jahr. Neben dem Wetter stimmen auch die Bodenverhältnisse: Die Muschelkalk-, Löss-, Sandstein- und Keuperböden bis hin zu vulkanischem Gestein lassen besonders charaktervolle Weine gedeihen. Sechs Bereiche mit rund 11.330 Hektar Rebfläche in 17 Groß- und mehr als 200 Einzellagen sowie einem Ertrag von mehr als 850.000 Hektolitern sorgen allein in Württemberg für eine in Deutschland einzigartige Vielfalt. Die mit mehr als 500 Hektar größte Einzellage heißt übrigens „Katzenbeißer“.
Die sieben Weinregionen Württembergs
Württemberg lässt sich dabei in sieben Weinregionen aufteilen: Kocher-Jagst, Tauber & Hohenlohe gibt mit steinigen wie fossilreichen Böden und vor allem mit steilen Weinbergshängen Zeugnis von mühevoller Arbeit und alter Rebkultur; entlang der Flussläufe wachsen Silvaner und Schwarzriesling auf skelettreichem Muschelkalk, während das Hohenloher Land mit seinen nährstoffreichen Mergelböden Riesling, Trollinger und Spätburgunder hervorbringt. Das Weinsberger Tal wurde durch die Sulm gebildet; sanft ansteigend und immer steiler werdend wachsen hier Trollinger sowie Riesling in typischer Schichtstufenlandschaft und an den Hängen des Tals bilden tonhaltige Mergelschichten buchstäblich die wärmespeichernde Grundlage für den Weinbau. Das Untere Neckartal ist durch die „Hauptschlagader“ des württembergischen Weinbaugebiets bestimmt; im Laufe der Jahrtausende entstanden auch hier sonnenwarme Steilhänge, auf deren Muschelkalkböden Trollinger und Schwarzriesling reifen. Vom Tal hinauf geht es auf den Heuchelberg, wo mineralreiche Keuperböden mit ihrer rötlichen Farbe dem hier angebauten Lemberger ähneln. Erneut ins Tal begibt man sich in der Region Stromberg & Enztal, wo vor allem Trollinger und Burgunder gedeihen; hier steigt das Gelände auf 380 Meter über dem Meeresspiegel an und ist auf lockeren Weinbergsböden Heimat von Trollinger, Lemberger und Riesling. Berühmt für seine Felsengärten ist die Region Mittleres Neckar- und Bottwartal, auf deren warmen Terrassen sich vor allem der Trollinger wohlfühlt; aber auch Kerner und Schwarzriesling schätzen den Tonmergel, genau wie der Lemberger den rötlichen Bunten Mergel. Steillagen fallen auch in der siebten Weinbauregion ins Auge: Remstal & Stuttgart, Boden für ausdrucksstarke Rieslinge.
Diese Landstriche verbindet von Weikersheim im Norden bis Metzingen im Süden auf 511 Kilometern die Württembergische Weinstraße – landschaftlich so reizvoll, dass sich hier sogar eine Lage mit dem schönen Namen „Paradies“ findet. Auch die Burgen und Schlösser, Kunstschätze, Kirchen und stattlichen Bürgerhäuser machen Württemberg zu einem abwechslungsreichen Flecken Erde. Von diesem Reichtum zeugt auch der lokale Weinfestkalender mit mehr als 200 Empfehlungen zu stimmungsvollen Proben und Genießerrunden. Zusätzlich laden Weinlehrpfade und ein Wein-Rad-Wanderweg dazu ein, die vor allem im Herbst bunte Landschaft kennenzulernen. Und nicht nur Dichtergrößen wie die beiden Friedriche Hölderlin und Schiller ließen sich von Wein und Landschaft inspirieren: Der erste Bundespräsident Theodor Heuss promovierte 1905 über „Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn“.
Genossenschaften für Genießer
Ertragsreichen Weinberge prägen also das Gesicht der Weinregion Württemberg. Dabei fiel auch der im 19. Jahrhundert entstandene Genossenschaftsgedanke besonders hier auf fruchtbaren Boden: Wie in keinem anderen großen Anbaugebiet Deutschlands haben sich die Winzer vor Ort zu Genossenschaften zusammengeschlossen, die sich um Anbau, Entwicklung, Qualität und Vermarktung kümmern. Knapp 75 Prozent der hiesigen Traubenernte wird in rund 30 genossenschaftlichen Keltereien ausgebaut. Insgesamt sorgen mehr als 14.500 Mitglieder dafür, dass der Württemberger Wein ins Glas fließt. Das gleiche Ziel verfolgen außerdem über 600 Weingüter, 18 Wein- und Sektkellereien und mehr als 700 freie Winzerbetriebe. Vor Ort wird der Rebensaft oft in den „Besenwirtschaften“ angeboten: Hängt ein Reisigbesen über der Tür, wird ausgeschenkt! Alla dann – auf geht’s!