Acht Jahre zuvor startete sie ihre Ausbildung, was sich nicht als ganz einfach erweisen sollte. "Damals war es nicht üblich, dass Mädchen den Beruf des Winzers erlernen. Auch der Berufsberater riet mir ab." Es war auch schwierig, eine Lehrstelle zu bekommen, denn im elterlichen Betrieb lernen kam für sie nicht in Frage. Schließlich klappte es doch, zuerst bei einer Rebschule, danach bei einem biologischen Rotweinbetrieb, wo sie unter anderem mitnahm, wie wichtig eine Begrünung und eine gute Bodenstruktur sind.

Nach einer Studienreise nach Amerika, diversen Schulungen und weiteren Weinreisen machte Ina Keßler in Veitshöcheim ihren Weinbautechniker. "Das war eine tolle Zeit", erinnert sie sich. Seitdem probiert sie gerne was es so alles in der Weinwelt gibt, etwa Orange Wein, Naturwein, Port, Barriqueweine, Pet Nat, aromatisierte und alkoholfreie Weine. "Ob mir das alles schmeckt? Nicht immer! Doch es bereichert mein Wissen", lautet ihr Motto. Zu Hause probiert sie auch mal neue Hefen aus und erzeugt manchmal Weine, die nicht so typisch für die Region sind. "Wein soll doch Spaß machen, uns einen Augenblick in eine Urlaubsphase schicken." Ziel ist es, charaktervolle, keine langweiligen Weine zu produzieren.

Gelegenheit für Experimente bietet auch der Sortenspiegel auf ihren 6 Hektar Rebflächen. Neben Silvaner, Bacchus, Riesling und Müller-Thurgau stehen zudem Burgunder, Schwarzriesling oder Cabernet Dorsa in Ertrag, die auch mal als Secco oder Rotling ausgebaut werden. Die Ergebnisse kann man auf den Weinbänken vorm Haus genießen, in der kleinen Vinothek, im Weinbergshäuschen oder im 650 Jahre alten Keller. Wer mag, kann außerdem ihre Brände probieren. "Die alte Brennerei, von meinem Opa selbst gemacht, läuft noch. Auch ich destilliere auf ihr, Gin und andere geistreiche Ideen", merkt Ina Keßler an. Als Hobby nennt sie das Fotografieren. "Meine Models heißen Silvaner, Müller, Rotling, Blanc de Noir, als Rebe oder in der Flasche und alles was so rundum passiert."

Einen weiteren Grund, nach Prichsenstadt zu fahren, ist der Ort selbst. Er zeigt typische Züge altfränkischer Kultur und Lebensart. Die mittelalterlichen, winkeligen Gassen, die Fachwerkhäuser oder die Stadtmauer mit Wehrtürmen sind sehenswert. Dazu laden die beiden Kulturwege „Historischer Stadtrundgang“ und „Prichsenstädter RebenSlauf“ mit Infotafeln über die Geschichte und den Weinbau in Prichsenstadt zu einem Spaziergang ein.