Herr Conrad, seit wann betreiben Sie Bio-Anbau und bei welchem Verband sind Sie organisiert und weshalb?

Martin Conrad: Nach der Übernahme des Weingut 1999 hatte ich mir ständig Gedanken gemacht über Nachhaltigkeit und Ökologie im Allgemeinen. Nach der konsequenten Umstellung meiner Ernährung auf biologische Lebensmittel und im Anschluss daran die Umstellung auf bewussteren nachhaltigeren Konsum zum Beispiel bezüglich Kleidung oder technische Geräte bis hin zum Verzicht auf viele unnötige Dinge, die meist nur Platz rauben, stellte ich mir final die Frage, wie ich das auch in meinem Beruf als Winzer, der seine Weinberge ausschließlich im Schiefersteilhang hat, umsetzten kann. Von Kollegen bekam ich meistens die „aufmunternden Worte“: „Das klappt nicht“, „zu riskant“, „Du bist verrückt“… Ich wusste allerdings, dass es bereits an der Mosel sehr gute Weingüter gibt, wie das Weingut Clemens Busch aus Pünderich oder Weingut Melsheimer aus Reil, die das bereits seit Jahren erfolgreich in die Tat umgesetzt hatten und so traf ich im Winter 2017 die Entscheidung mit dem Jahrgang 2018 mein erstes Bio-Versuchsjahr zu starten. Da ich seit Jahren bereits freiwillig nur organisch gedüngt und weitgehend auf Herbizide verzichtet hatte und darüber hinaus im Keller bei der Weinbereitung ohnehin bereits biologisch und ohne Enzyme und Reinzuchthefen arbeitete, dachte ich mir, dass ich den Rest auch noch schaffe. Gesagt getan, der vom Wetter recht unproblematische Jahrgang 2018 machte mir den Anfang leicht. Mit der Erfahrung aus 2018 beschloss ich dann mich zertifizieren zu lassen. 2019 habe ich die Zertifizierung zum ökologischen Weinbau bei der GFRS begonnen. Die Zertifizierung ist mittlerweile abgeschlossen, so dass ich mit dem Jahrgang 2022 erstmals voll Bio-Zertifizierte Weine anbieten darf.

Bis dato bin ich in keinen Verband außer dem Bernkasteler Ring e.V. organisiert. Ich denke allerdings über die Mitgliedschaft von Ecovin nach, bei denen ich auch das Einführungsseminar für den Öko-Weinbau gemacht habe.

Wieviel Mehrarbeit macht bei Ihnen Bio-Weinanbau gegenüber konventionellen Betrieben?

Martin Conrad: Im Vergleich zu konventionellen Betrieben, die nicht Minimalschnitt oder ähnliches betreiben und auch im Steilhang arbeiten, machen die Bodenarbeit und eine intensivere Laubarbeit den meisten Mehraufwand aus. Ich würde sagen, dass es etwa 20 bis 25 Prozent Mehraufwand ist. Hinzu kommt, dass wir nur von Hand lesen, zwischen 300 bis 400 Stunden pro Hektar alleine für die Lese. Im Flachen, wo alle Arbeiten mit Maschinen gemacht werden können, liegt der Jahres-Stundenaufwand bei voller Mechanisierung mittlerweile deutlich unter 200 Stunden pro Hektar für alle Arbeiten inklusive Lese. Da ich aber nicht auf Masse produziere, sondern für Qualität, Terroir-Bezogenheit und Jahrgangstypizität auf sehr hohem Niveau, nehme ich solche Tatsachen lediglich zur Kenntnis, denn ich mache Weine aus Überzeugung und Leidenschaft im Einklang mit der Natur. Daher stehen meine Weine auch nicht in jedem Supermarkt.

Hat sich seit Corona Ihr Weinabsatz verändert, eventuell durch neue Kunden?

Martin Conrad: Also ob das mit der „Pandemie“ zu tun hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen, aber ich habe durch meinen Weg in Richtung Bio einige neue Privatkunden und auch Händler dazu bekommen. Zudem war ich schon vor der Zeit gut aufgestellt, was den Weinversand mit Paketdiensten betrifft. Der Privatkundenabsatz konnte damit während der Zeit gesichert und etwas ausgebaut werden, aber im Bereich Gastronomie gab es bei mir deutliche Rückgänge, die sich jetzt erst langsam erholen.

Insgesamt war die Zeit ab März 2020 eine sehr spannende, lehrreiche und erhellende Zeit in der ich mir durch viel Eigenrecherche und Studium von Statistiken, da war dann das Fach Statistik im Rahmen meines BWL-Studiums auch mal hilfreich, und intensive Naturbeobachtung sehr viel dazu gelernt und mein Weltbild mal gründlich in Frage gestellt und zurecht gerückt habe. Diese Erfahrungen haben mich auch nochmals bestätigt, dass ich mit meiner Lebens- und anschließenden Betriebsumstellung das Richtige tue, um mich morgens noch im Spiegel ansehen zu können.

Hat sich Ihr Weinangebot in den letzten Jahren verändert oder planen Sie Änderungen?

Martin Conrad: Das Sortiment hat sich im Wesentlichen nicht geändert, ich versuche künftig ein paar Sorten zu reduzieren, was mir zuweilen schwer fällt, und baue meine Top-Weine mittlerweile deutlich trockener mit 1 bis 4 Gramm Restsüße aus, um das Terroir noch mehr in den Fokus zu stellen.

Kommt Bio-Weinanbau mit dem Klimawandel besser zurecht?

Martin Conrad: Hier kann ich nur anmerken, dass Weinbau mit der Natur viel mehr Lösungen bereit hält als Weinbau, der nur auf Ertrags- und Gewinnmaximierung aus ist. Ja, die klimatischen Veränderungen der letzten 30 Jahre haben es möglich gemacht, dass es fast keine schlechten Jahrgänge mehr gab, die Trauben erreichen, wenn man nicht auf Masse geht, stets ein relativ hohes Mostgewicht und eine gute Reife und Aromatik – das sah

Ende der Siebziger Jahre bis Ende der Achtziger Jahre noch anders aus. Da hätte man in einigen Jahrgängen Luftsprünge für eine Spätlese gemach! Ich bin nicht festgefahren in meinen Abläufen und passe mich stets den neuen Gegebenheiten an. Wenn die Trauben früher reif sind, dann gehen wir eben früher Lesen, selektieren und pressen anders oder arbeiten gegebenenfalls mit längeren Maischestandzeiten im Hinblick aufs Säure-Management.

Was durch die tendenziell sehr trockenen Sommer zu überlegen ist, das wäre eine Bewässerung für Jungfelder bei Pflanzung vorzusehen, dann ansonsten dauert es ewig, 5 bis 10 Jahre, bis ein Weinberg in einen normalen Ertrag kommt. Ältere Reben kommen bis dato recht gut mit den trockenen Sommern klar.

 

Herr Conrad, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg und alles Gute.