Spektakuläre alternative Weinfässer
Edelstahltanks, große Holzfässer oder Barriques findet man in allen Weinkellern der Welt. Es gibt aber vereinzelt auch andere Varianten. Eine Spurensuche im Anbaugebiet Franken.
Auf der Suche nach ungewöhnlichen Fässern bietet sich als erste Station der Weinort Nordheim an der Mainschleife an. Hier arbeitet Manfred Rothe vom gleichnamigen Bio-Weingut, der im März 2022 von selection zum Silvaner-Winzer des Jahres gekürt wurde, seit fast zehn Jahren mit Amphoren aus Georgien. In diesem Land wird der Ausbau mit den sogenannten Kvevris, Kwewris oder Qvevris bereits seit über 8.000 Jahren praktiziert. Das würdigte auch die UNESCO und hat diese Art der Weinherstellung 2013 zum Weltkulturerbe gekürt. Kvevris sind große zitronenförmige Tongefäße, die in die Erde eingelassen werden und in die der Traubensaft zusammen mit der Maische vergoren wird. Durch die bauchige Form findet eine natürliche Zirkulation statt, so dass keine weiteren Gärzusätze benötigt werden. Das Resultat sind naturbelassene, besonders langlebige, kräftige und in der Regel hochwertige Weine. Diese Orange-Weine, auch Raw- oder Amber Wines genannt, sind meist aufgrund ihrer typischen Bernsteinfarbe auf den ersten Blick zu erkennen und erfreuen sich steigender Beliebtheit. Erfolgreiche Experimente damit unternimmt seit ein paar Jahren auch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.
Und wie kam Manfred Rothe dazu? Er wollte schon immer eigene Wege beim Wein gehen, wurde bei der georgischen Weinkultur fündig und kaufte schließlich 2013 zwei Amphoren, in denen er nun Silvaner sowie einen Blauen Zweigelt ausbaut. Der Silvaner ist enorm dicht und weist Noten von Apfel, Bienenwachs und Wermutkraut auf. Im Keller wird man die Amphoren nicht erkennen können, da sie sozusagen hinter einer Mauer eingegraben und die Öffnungen mit schweren Steinen als Deckelersatz verschlossen sind. Dafür findet man eine alte Amphore im Garten, der zugleich von April bis Oktober als Außenbereich für Rothes prämiertes Bistro genutzt wird. Seit ein paar Monaten ist Rothe übrigens Mitglied der neuen Initiative "Zukunftsweine", deren Winzer auch auf Weine aus Piwis, Pilzwiderstandsfähigen Sorten, setzen (Näheres in der Rubrik "Weine", Unterrubrik "Weine & Weingüter" im Artikel "Engagement für den Wein der Zukunft" vom 3. November 2022). Hier treffe ich auch Andrea Reuer und Carmen Forner wieder, die bei Rothe derzeit noch im Weinausbau tätig sind und die ich in diesem Jahr erstmals auch als Jurorinnen bei unseren Verkostungen begrüßen durfte (siehe auch den Artikel "Wein-Jury: Erfolgreiche Mission" vom 13. Juni 2022).
Der nächste Halt befindet sich wenige Kilometer entfernt in Escherndorf. Auch das Weingut Rainer Sauer besitzt im Keller neben den obligatorischen Tanks und Holzfässern einen seltenen Schatz. Der ist eiförmig und fasst 900 Liter. Das Ei ist allerdings aus Beton und der Silvaner, den Winzer Daniel Sauer darin ausbaut, nennt sich "Ab Ovo". Das bedeutet soviel wie ursprünglich, vom Ei her. Auf den Gedanken, dieses ungewöhnliche Ei einzusetzen, kam Vater Rainer bei einem Besuch in Spanien. Dort stellte er fest, dass Rotweine gut in Betonfässern reifen können. Vater und Sohn überlegten dann, wie sich wohl ein fränkischer Silvaner darin entwickeln könnte. "Ein Betonfass ist ähnlich porös wie ein Holzfass, nur dass es keinen Eigengeschmack an den Wein abgibt", berichtet Daniel Sauer. Das Resultat, von selection schon vor ein paar Jahren mit Gold ausgezeichnet, präsentiert sich mit ausgeprägten Aromen von Wiesenkräutern, enorm vielschichtig und langlebig und ist von den anderen Silvanern des Hauses leicht zu unterscheiden. Verkosten kann man den Wein etwa im Garten, wo auch kleinere Gerichte serviert werden.
Die letzte Station liegt im nahe gelegenen Frickenhausen. Im Hotel und Weingut Meintzinger experimentieren Jochen Meintzinger und sein Sohn Philipp mit Muschelkalkfässern. Jedes dieser auffälligen Behälter, momentan gibt es nur fünf Stück davon in Deutschland, davon drei bei Meintzinger, fasst 300 Liter Silvaner. Der Kalkanteils des Fasses reduziert einen Teil der Säure des Weins ohne jeden kellertechnischen Eingriff. Das Resultat zeigt sich sehr mineralisch, gehaltvoller als die anderen Silvaner des Hauses und der Wein ist besonders lange lagerfähig.
Experimente können sich also durchaus lohnen, auch im bodenständigen Franken. Es lohnt sich auch, diese zu probieren. Am besten fragt man die Winzer beim Kauf, ob und wie lange diese Weine dekantiert werden sollten, welche Gläser man dafür verwendet und wann sie eine schöne Trinkreife bieten.