Nachhaltigkeitspreis für “Zukunftsweine”
Das Projekt "Zukunftsweine" gewinnt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design 2023. Wir von selection gratulieren dem Team zu diesem Erfolg.
"Das macht uns sehr stolz und bestätigt uns in unserer Idee, den Weinanbau zu rebvolutionieren“, meint Dr. Eva Vollmer. „Die Auszeichnung ist die absolute Krönung eines aufregenden Jahres.“ Die rheinhessische Winzerin und ihr Team (siehe auch den Artikel vom 3. November 2022) setzt sich für mehr Klimaschutz im Weinbau ein. Chefredakteur Wolfgang Hubert hat sie interviewt.
Frau Dr. Vollmer, woher kam die Idee, dieses Projekt anzugehen und was erhoffen Sie sich?
Dr. Eva Vollmer: Die erste PIWI-Pflanzung von Souvignier Gris Reben in unserem Betrieb im Jahr 2016 war für mich der gelegte Grundstein für den festen Glauben an ebenbürtige Weinqualitäten gegenüber traditionellen Reben. Ich wurde von den Resultaten nicht enttäuscht, sondern meine Erwartungen wurden gleich mit dem ersten Wein sogar noch übertroffen. Einzig das mulmige Gefühl über den Bekanntheitsgrad dieser neuen Reben mit dem unglücklich titulierten Sammelbegriff PIWI bremste meine Euphorie etwas. Als ich in meiner ersten Verzweiflung sogar die vereinfachte Lautschrift des ungewohnten Sortenbegriffs „Su vin jee gri“ auf den Etiketten platzierte, um die Verwechslungsgefahr zu Sauvignon Blanc nicht zu riskieren, wurde der Handlungsbedarf in Sachen Begrifflichkeit deutlich. Mit dem einfachen Claim „Zukunftsweine“ im Gepäck habe ich meine Markenagentur aufgesucht und meine Winzerkollegin Hanneke Schönhals ins Boot geholt, um mit dieser eingängigen Marke den Underdogs PIWIS eine starke und positive Stimme zu geben, die als Plattform für Winzer, Händler und Kunden gleichermaßen der Nachhaltigkeit im Weinbau deutschlandweit Wege ebnet. In vielen Kanälen ist das Wort „Zukunftsweine“ bereits als positives Synonym für PIWIS gefallen und das stärkt unsere Hoffnung eine Bühne für klimafreundlicheren Weinbau zu bieten.
Wie sieht die Reaktion in der Branche aus?
Dr. Eva Vollmer: Binnen kurzer Zeit haben sich schon über 20 Betriebe der Marke angeschlossen, um gemeinsam Botschafter*innen für Zukunftsreben zu sein. Das ist höchst erfreulich und bestätigt den Wunsch nach ehrlichen Umgang mit Problemen im Weinbau. Natürlich birgt es auch Futter für besorgte Stimmen, die sich in der Darstellung des traditionellen Weinbaus als überproportional hoher Pflanzenschutz-Ausbringer nicht wohl fühlen. Ich selbst bin trotz ökologischer Bewirtschaftung auch nicht glücklich über die notwendigen Spritzungen, um unsere wunderbare Rebkultur am Leben zu halten. Deshalb ist es so wichtig Lösungen zu präsentieren, die jeder Betrieb in seinen Pflanzplan einbauen sollte bzw. muss (in Betracht des dramatischen Klimawandels darf hier das Wort „muss“ stehen). Viele Betriebe stehen der attraktiven Vermarktung dieser robusten Sorten noch höchst kritisch gegenüber und predigen den sturen Erhalt von Burgunder und Co. zur eingängigen Profilierung, jedoch ist der Handlungsbedarf zur verbesserten CO² Bilanz im Weinbau nicht mehr klein zu reden. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, in keinem Betrieb, aber der Wandel beginnt mit dem ersten Schritt.
Schwierig wird es auch mit der Akzeptanz, wenn PIWIS angeboten werden, die im Weinberg und Keller nicht wirklich ideale Ergebnisse erzielen. Da kam ja auch Regent leider etwas in Verruf.
Dr. Eva Vollmer: Der Regent ist natürlich ein sehr frühes Pferd aus dem Züchtungsstall und daher stielt sich der ungewohnte Geschmack der amerikanischen Wildrebe bis ins Weinglas durch. Nicht jeder mag das. Daher ist es besonders wichtig, dass Vorreiterbetriebe den neueren Sortenmodellen sowohl bei der Wahl einer guten Lage, als auch beim Streben nach Alltagsweinen bis hin zu möglichen Spitzengewächsen allerhand zuzutrauen und sich ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Wir wollen aber kein Korsett vorschreiben, das die Winzer wie eine Art Regelwerk nutzen soll, um die neuen Sorten in Szene zu setzen. Denn das Know-How und der Anspruch der Betriebe mit ihrem Tun zu glänzen und die neuen Reben unter Beweis zu stellen ist so hoch ausgeprägt, dass es keiner Barrieren und Handlungsmuster bedarf. Nur zwei Grundsätze sollen uns leiten: Erstes Gebot wäre: Pflanzt diese Reben. Jetzt. Zweites Gebot: Legt all Euer Wissen und Können in deren Ausbau und tauscht Euch mit anderen aus, um schnell Wissen um die neuen Sorten zu sammeln und Euch mit guten Qualitäten gegenseitig zu motivieren.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, zum Beispiel PIWI-Anteil bis 2035 in Deutschland bei 25 Prozent?
Dr. Eva Vollmer: Prozentuale Punktdefinitionen sind uns eher fremd, da wir lieber auf eine größtmöglichen PIWI-Pflanzrate drängen. Dabei spielt es für uns primär nicht die Rolle, ob konventionelle, oder ökologische Betriebe bei der Bewegung mitmachen. 100 Prozent der deutschen Winzerschaft soll die Möglichkeit haben etwas zur Veränderung beizutragen und kein auserwählter Kreis oder dergleichen. Es wäre zudem dringlich das Pflanzen von nachhaltigen Sorten politisch besser zu fördern. Wenn die bereitgestellten Gelder zur Förderung moderner Weinbergsanlagen (in Fachkreisen „Umstrukturierungsmaßnahmnen“ genannt) einen Fokus auf die neuen Reben setzen würden, könnten bessere Erfolge erzielt werden. Leider gibt es hier keine Anzeichen auf Verbesserung. In unserem Betrieb haben wir in nur sechs Jahren die 25 Prozent Zukunftsreben-Anteil erreicht. Kleine Weinmädchen-Rechnung: In Deutschland haben wir 103.000 Hektar Weinberge. Bewirtschaftet von 35.000 Betrieben. Auf circa 24.000 Hektar sind die Reben über 30 Jahre alt (Quelle Statischisches Bundesamt), dort wird bald neu gepflanzt werden müssen. Wenn jeder Betrieb auch nur ein Hektar zukunftskonformere Reben pflanzen würde, wären das bereits über 30 Prozent. Bis 2030 müssten es mindestens 30 Prozent PIWI-Anteil sein, wenn der Weinbau es schafft umzudenken. Wir glauben daran.
Frau Dr. Vollmer, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist die Auszeichnung für Spitzenleistungen der Nachhaltigkeit in Wirtschaft, Kommunen und Forschung. Am Donnerstag, 1. Dezember wurden in Düsseldorf die Gewinner*innen in der Kategorie Design für Produkte, Systeme und Dienstleistungen vergeben, deren Gestaltung in besonderer Weise die nachhaltige Transformation befördert. (Quelle: https://www.nachhaltigkeitspreis.de/design/)