Betriebsübernahme – ein heißes Eisen
Wenn eine Winzergeneration an die nächste Generation übergeben will oder soll, beziehungsweise die nächste Generation in das Weingut einsteigen möchte, kann es leicht zu Konflikten kommen. Bereits als ich vor fünfzehn Jahren für das Magazin selection über junge Winzerinnen und Winzer recherchierte, gab es in Hintergrundgesprächen etliche Klagen über diverse Schwierigkeiten einer Betriebsübergabe von den Eltern auf ihre Nachfolgerinnen oder Nachfolger. Finanzielle Regelungen, Diskussionen über Verantwortlichkeiten, neue Weinstile, eine andere Angebotspolitik oder ökologischer Anbau, es gab und gibt genügend Gründe für Auseinandersetzungen fast aller Art. Nur offen darüber reden, das möchten die meisten Betroffenen nicht. Wolfgang Hubert hat sich nun mit zwei Winzerinnen über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit der Betriebsübernahme unterhalten, Juliane Eller, Geschäftsführerin der Juwel Weine GmbH, und Yvonne Andres, Geschäftsführerin vom Weinhaus Andres. Beide geben auch Tipps, worauf man bei einer Übernahme achten sollte.
Frau Andres, Frau Eller, gab es bei Ihnen Probleme bei der Betriebsübergabe?
Yvonne Andres: Mein Mann ist nach der Ausbildung als Winzer in den elterlichen Betrieb mit eingestiegen. Während er durch eine Lungenentzündung Geschmacks- und Geruchssinn verloren hatte, bin auch ich in den Betrieb mit eingestiegen. Im Grunde war von vornherein klar, dass wir den Betrieb weiterführen werden. Doch als es dann soweit war und die Eltern den Betrieb übergeben sollten, kamen auch damit die Auseinandersetzungen und Herausforderungen auf uns zu. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, da es für uns klar war, dass wir den Betrieb übernehmen. Es wurde vorher nie deutlich über die Situation gesprochen, wer hat welche Vorstellungen und wie soll das Ganze einmal geregelt sein.
Die vorangehende Generation hat sich tatsächlich schwergetan mit der Übergabe und eine Lösung zu finden, auch bezüglich einer Art Rente. Auch die abweichende Erbin hatte ihre genauen Vorstellungen und dies alles zu lösen war sehr schwierig und hat auch einige Zeit in Anspruch genommen. In dieser Zeit wurden sehr viele Gespräche und auch Diskussionen geführt, da natürlich jeder der Familie seine ganz eigene Ansicht und Vorstellung hatte. Wichtig ist es in jedem Falle, als Paar zusammenzuhalten und sich in einer nicht ganz so einfachen Zeit gegenseitig zu stärken und Kraft zu geben.
Juliane Eller: Ich bin 2013 direkt nach meinem Studium in Geisenheim – Weinbau und Oenologie – bei meinen Eltern im Familienweingut eingestiegen. Natürlich war schon zu Beginn meines Studiums klar, dass ich perspektivisch die Nachfolge meiner Eltern antreten möchte. Das war ein gemeinsamer Prozess mit viel Kommunikation und Vertrauen der verschiedenen Generationen. Das zu haben ist ein großes Geschenk und nicht selbstverständlich. Das muss ich vor allem meinen Eltern hoch anrechnen, denn heute nach 10 Jahren Selbstständigkeit, weiß ich manchmal nicht, ob ich das gekonnt hätte. In jedem Fall haben meine Eltern mir zwei Tage nach der Zeugnisübergabe ihre komplette Existenz in die Hand gelegt. Wenn ich den Betrieb übernehme und fortführe, dann richtig. Und der Aufgabe habe ich mich gestellt. Probleme sind in ihrem Wort ja schon eher negativ formuliert. Deshalb muss ich mich davon tatsächlich distanzieren, aber natürlich gab es herausfordernde Momente und Phasen. Bei allem konnte ich mich immer auf mein Bauchgefühl verlassen und hatte jederzeit Zugang zu dem Rat meiner Eltern, die die Weinbranche schon einige Jahrzehnte kennen und logischerweise bis heute im Betriebsalltag unersetzlich sind – nur aus einer ganz anderen Perspektive und auch Zeit, aber gewisse Dinge ändern sich eben nicht oder nur sehr langsam. Beispielsweise in unseren Weinbergen.
Wie haben Sie diese lösen können?
Yvonne Andres: Wir haben uns seitens des Steuerberaters, der Schule hier in Neustadt an der Weinstraße und verschiedenen Beratern Hilfe geholt, um die Situation neutral beurteilen zu lassen. Der Blick von außen ist ein ganz anderer und kann helfen zu regeln. Ebenso hatten wir eine Mentorin und auch Berater der Bank dabei, um die ganze Übergabe aufzustellen und der übergebenden Generation sowie auch der anderen Erbin zu präsentieren. Dies war sehr wichtig für uns, da es am Ende so sein soll, dass man sich als Familie mit allen, die dazugehören, noch in die Augen schauen und auch an Festen zusammen feiern kann. Nur so war es für uns möglich die Streitigkeiten zu schlichten, alleine, ohne Hilfe von außen, hätten wir es nicht geschafft. Heute können wir sagen, dass wir, die übernehmende Generation und auch die übergebende Generation zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Die Verantwortung liegt in der Hand von der übernehmenden Generation, doch die Expertise der Eltern und auch die Erfahrung ist weiterhin sehr wertvoll und hilfreich.
Juliane Eller: Nachdem meine erste Antwort nun sehr ausführlich war, kann ich mich hier kurz halten: Durch Kommunikation, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis.
Wenn Sie selbst einmal den Betrieb übergeben würden, was würden Sie auf jeden Fall unternehmen bzw. vermeiden wollen?
Yvonne Andres: Wir haben selbst drei Kinder und möchten natürlich, dass unsere Kinder nicht in die Situation kommen, in der wir uns befanden. Seine Existenz oder auch Lebenswerk zu überlassen, ist gewiss nicht einfach. Daher bedarf es einer klaren und offenen Kommunikation innerhalb der Familie. Wir für uns haben uns fest vorgenommen, falls unsere Kinder den Betrieb übernehmen möchten, immer offen über alles zu kommunizieren und ihnen größtmögliches Vertrauen zu schenken. Jederzeit werden wir unseren Kindern zur Seite stehen und für sie da sein, wenn sie uns beiehungsweise unsere Hilfe benötigen. Ein ehrliches Miteinander und Umgang sind das A und O. Es werden immer wieder auch Zeiten kommen, die etwas herausfordernder sind, gerade auch in Bezug auf die Arbeit mit der Natur, auch das gehört dazu.
Zudem ist es sehr wichtig, dass sie ihren eigenen Weg finden innerhalb des Betriebs und ihre Ideen ausleben können. Ich würde jedem empfehlen sich innerhalb der Weinbranche, aber branchenübergreifend zu inspirieren und auszutauschen. Es kommt im Weinbau schon lange nicht mehr nur auf die Produktion guter Weine an, sondern auch auf die Vermarktung. Genauso wie es wichtig ist sich Hilfe zu holen bei betriebswirtschaftlichen Themen oder Auseinandersetzungen mit Generationen ist es auch hier wichtig sich zu trauen Hilfe von Experten zu holen, die sich in diesen Bereichen auskennen.
Juliane Eller: Das Vertrauen und die Freiheit, mit der mir meine Eltern begegnet sind, ist für mich beispiellos. Ich muss ehrlich sagen, dass ich heute nicht wüsste, ob es mir bei einer Übergabe des Betriebes einmal genauso gut gelingt. Für die familiengeführten Weingüter insgesamt wünsche ich mir mehr Offenheit und Miteinander untereinander. Wir haben in vielen Betrieben sehr ähnliche Strukturen. Man kann sich gegenseitig unterstützen und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Denn aus der Summe vieler einzelner kleiner und mittlerer Betriebe, die hochwertigen deutschen Wein produzieren, kann das große Ganze entstehen. Jeder Winzer und jede Winzerin produziert einzigartige Weine, arbeitet die Facetten der jeweiligen Rebsorten und Lagen individuell heraus. Am Ende des Tages geht es neben der Weinproduktion aber vor allem um die Vermarktung, die zielgruppenorientiert aufgesetzt und umgesetzt werden muss. Hier gibt es in der Weinbranche und auch an den einschlägigen Universitäten und Hochschulen. Wer unabhängig von der Entwicklung innerhalb der Weinbranche selbst Initiative ergreifen möchte, dem rate ich, sich mit Expert:innen für das Thema Vermarktung und Design zu verknüpfen und das fehlende Know-How nach und nach aufzubauen. Nicht weil ich es selbst getan hätte, aber ich wünsche mir, dass Neid und Missgunst in der Weinbranche und auch beim Wechsel der Generationen und möglicherweise neuen Wegen durch die junge Generation keine Rolle mehr spielen. Es geht darum gemeinsam die Fahne für den deutschen Wein als absolutes Kulturgut und Qualitätsprodukt hochzuhalten. Zusammen können wir da viel mehr bewegen.
Hätten Sie Tipps für andere Winzerinnen und Winzer im Falle einer Betriebsübernahme?
Yvonne Andres: Das Thema so früh wie möglich anzusprechen und auch offen und ehrlich zu kommunizieren, das ist auf jeden Fall wichtig. Am Ende des Tages ist es natürlich wichtig und wird auch so sein, dass nie eine Partei 100 Prozent von dem bekommen kann, was sie erwartet. Es sind Kompromisse nötig und auch wichtig, aber jeder muss in irgendeiner Hinsicht zufrieden sein. Daher würden wir auf jeden Fall immer empfehlen, sich Hilfe zu holen und beraten zu lassen, falls nötig. Ebenso sind geregelte Strukturen wichtig. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten eine Übergabe vorzubereiten und zu gestalten. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem der Staffelstab komplett in die Hände der jungen Generation gelegt werden muss und ihnen das Vertrauen geschenkt wird, mit sich veränderten Zeiten auch neue Ideen und Führungswege umzusetzen. Die Mischung macht es und auch die Ratschläge und Erfahrung der älteren Generation und deren Hilfe bei der Arbeit ist unersetzlich.
Juliane Eller: Was an unserem Beispiel sehr gut deutlich wird ist, dass eine klare Führungsrolle oder eher führende Generation ein Schlüssel zum Erfolg sein kann. Wenn es eine jüngere Generation gibt, die den Betrieb die nächsten 40 bis 50 Jahre oder länger fortführen möchte und kann, dann lohnt es sich, den Prozess der Übernahme gemeinsam vorzubereiten, aber ab einem gewissen Punkt die Verantwortung komplett auf die jüngere Generation zu übertragen. Das bedeutet nicht, dass die ältere Generation einen geringeren Stellenwert im Betrieb hat. Ganz im Gegenteil. Ein Familienunternehmen zeichnet sich durch einen starken Zusammenhalt, Vertrauen und die Erfahrung über Generationen aus. Ohne die Arbeit der Eltern und Großeltern und möglicherweise älteren Generationen, wäre die Basis, auf die eine junge Generation bauen kann, schlicht unmöglich. Gestaltet den Prozess gemeinsam und lasst eine oder einen an einem gewissen Punkt die Leitung übernehmen.
Frau Andres, Frau Eller, herzlichen Dank für die Gespräche und alles Gute!