Die Vorteile der Handlese

Was für die Weinlese in Handarbeit spricht

... und wie die Natur von dieser Ernte-Art profitiert

Manufaktur – der Begriff bedeutet übersetzt, dass etwas in Handarbeit hergestellt wird. Was auch beim Wein früher die Regel war. Heute geschieht indes viel maschinell und im Herbst sieht man zur Erntezeit immer mehr Vollernter die Rebzeilen abfahren. Doch auch hier gibt es sie: die Handlese. Und die arbeitsintensive Erntevariante hat ihre unbestrittenen Vorteile.

Eine Person erntet Weintrauben mit der Hand
Die Weinlese von Hand / Foto: Deutsches Weininstitut

Bei der Handlese werden die Weintrauben per Hand vom Rebstock abgeschnitten. Was sich so einfach hinschreibt, bedeutet für den Winzer jedoch viel Arbeit: Grapscht sich der Vollernter ratzfatz, was er in die Fänge kriegt, ist die Handlese um ein Vielfaches langsamer, dadurch aber genauer und sorgfältiger. In Zahlen: Braucht die Maschine für einen Hektar Rebfläche zwischen zwei und vier Stunden, kann man hier für die Handlese bis zu 300 Arbeitsstunden veranschlagen – natürlich verteilt auf möglichst viele Arbeitskräfte. Letztendlich gilt auch hier, was Benjamin Franklin 1748 in seinem Buch „Ratschläge für junge Kaufleute“ schrieb: „Zeit ist Geld“. Handlese ist auf Dauer kostenintensiver als maschinelle Ernte, was sich natürlich vor allem auf den Preis des Endprodukts auswirkt.

Handlese, eine Person erntet von Hand Trauben
Bei der Handlese werden die Trauben einzeln von Rebstock getrennt / Foto: Deutsches Weininstitut
Handlese, Lesegut wird in Bütten gesammelt
Das Lesegut wird in Bütten gesammelt / Foto: Deutsches Weininstitut
Eine große Menge geerntete Trauben werden auf einen Wagen geladen
Handlese verhindert das Miternten von Blattwerk / Foto: Deutsches Weininstitut

Rücksicht auf den Reifegrad der Trauben

Bei der Handlese werden die Trauben abgeschnitten und in einem Behältnis gesammelt; das ermöglicht, reife von unreifen zu trennen. In mehreren Lesegängen kann zudem auf den entsprechenden Reifegrad reagiert werden. Ebenfalls für die Handlese spricht, dass die Beeren bei Ernte und Transport nicht verletzt werden: Kleine Behälter verhindern, dass das Eigengewicht des Leseguts die Beeren quetscht. Zudem wird ohne „Beifang“ wie Blattwerk geerntet und auch das „Miternten“ von Insekten wird minimiert.

Aber diese Ernteweise birgt auch Risiken und Nachteile: Neben den Kosten ist sie durch den Zeitfaktor auch stärker wetterabhängig. Und während ein Vollernter auch im Dunkeln eingesetzt werden kann, braucht die Handlese das Tageslicht. In Steillagen wird ohnehin nur per Hand gelesen, weil Maschinen hier kaum eingesetzt werden können. Der zunehmende Mangel an qualifizierten Erntehelfern erschwert die Handlese zusätzlich.

Ist handgelesener Wein besser?

Wer die Pros und Contras der Handlese abwiegt, wird sicherlich lieber einen Wein aus derart geernteten Trauben trinken (vor allem, wenn auf dem Etikett „Handlese“ oder „Vollernterlese“ stünde). Die Gretchenfrage, ob handgelesene Weine wirklich besser sind, kann abseits der Preisfrage aber nur individuell beantwortet werden: Was ist einem wichtig? Guter Wein zum vernünftigen Preis oder Individualität und ein Mehrwert für die Natur? Um eine harte Parallele zu ziehen: Das Steak vom Discounter

oder vom Biohof mit zertifiziert artgerechter Haltung? Was schmeckt man sofort und was erst dann, wenn man um die Hintergründe weiß? Auch beim Wein geht es eben – wie so oft – ums Bewusstsein.

Und da hat die Handlese noch ein paar weitere gute Argumente. Denn zusätzlich zur höheren Qualität des Leseguts profitiert auch die Natur: Wer mit der Hand liest, verhindert durch den Verzicht des schweren Vollernters eine Verdichtung des Bodens im Weinberg und somit eine verminderte biologische Aktivität, schlechtere Nährstoffdynamik und geringere Wasserhaltekapazität. Damit schont er die Umwelt des Weins – und die seiner Genießer. Bewusster Genuss ist eben nicht nur eine Frage der Menge.

von Jan-Geert Wolff

Weintraube rot
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