Philosophie und Savagnin

„Es steckt mehr Philosophie in einer Flasche Wein, als in allen Büchern dieser Welt.“ Gesagt hat das Louis Pasteur, der französische Chemiker, dem wir es verdanken, dass Milch lange haltbar ist. Pasteur, aufgewachsen in der Kleinstadt Arbois im Jura, hatte eine besondere Beziehung zum Wein: Er kaufte 1874 den Hang „Clos de Rosières“, um ein Ziel für seine Spaziergänge zu haben – und um mit Wein zu experimentieren. Tatsächlich entdeckte Pasteur, dass Mikroorganismen für die Gärung der Trauben verantwortlich sind. Übrigens: Noch heute könnten die ältesten Rebstöcke von Pasteur, der 1895 starb, gesetzt worden sein, meint Jacques Hauller. Er ist Chef von „Domaines Maire & Fils“, dem größten Winzerunternehmen der Region, zu dem auch der Clos de Rosières heute gehört: „Wir sind stolz, dass wir diesen Weinberg bewirtschaften können.“

Doch eine große Rolle spielt Pasteurs Hang für das Unternehmen nicht. Über 200 Hektar bewirtschaftet Maire heute, erntet die fünf Rebsorten des Jura: die weißen Trauben von Chardonnay und Savagnin, die roten von Pinot Noir, Poulsard und Trousseau. Und im Keller von Maire, umringt von den typischen 228 Liter fassenden Eichenfässern, kommt sie dann auf den Tisch, die Weinspezialität die einzigartig für das Jura ist: der Vin Jaune. Einzigartig? „Oh ja“, bekräftigt Hauller, „guten Wein zu machen, kann man lernen, aber das Herstellen eines Vin Jaune ist etwas Besonderes.“

Jacques Hauller ist Chef des Großwinzers Henri Maire in Arbois. (c) max

Vin Jaune reift über sechs Jahre

Das sieht auch Sylvie Cambray von der Fruitière Vinicole Arbois so. Die Kooperative, der sich rund 100 eigenständige Winzer angeschlossen haben, lässt Besucher schon mal in eines der Fässer spähen, in denen der aus reinem Savagnin gepresste Vin Jaune traditionell sechs Jahre und drei Monate lang reift. Eine dicke Hefeschicht schwimmt auf der Oberfläche und schützt das edle Getränk vor Bakterien. Durch den Kontakt mit Luft und Temperaturschwankungen – im Lager der Kooperative werden die Schutztüren nur bei sehr großer Hitze oder starkem Frost geschlossen – verdunstet rund ein Drittel des Weins. Der wird in Flaschen mit 62 Zentilitern Inhalt verkauft, das entspricht der Menge, die von einem Liter übrigbleibt.

Und der Wein ist ungemein haltbar: „Wenn Sie eine Flasche öffnen und ein Jahr stehen lassen, ohne Korken oder einen anderen Verschluss, dann ist die Qualität unverändert“, sagt Pierre-Armand de Laguiche. Kaum zu glauben, aber tatsächlich: Als vor einigen Jahren eine Flasche aus dem Jahr 1774 verkostet wurde, gaben die Tester dem Wein 9,4 von zehn möglichen Punkten.

Pierre-Armand de Laguiche vom Château d'Arlay prüft den neuen Jahrgang. (c) max

De Laguiche übrigens ist Sohn der Eigentümer des Château d’Arlay. Unter dem Schloss aus dem 18. Jahrhundert baut er neben Vin Jaune unter anderem die weiteren Spezialitäten des Jura aus: Macvin, einen süßen Likör aus Traubensaft und Marc, sowie den Süßwein Vin de Paille, Strohwein, der – im Gegensatz etwa zum Sauterne – aus jungen Trauben gewonnen wird, die hängend getrocknet und schließlich gepresst werden. De Laguiche ist im Schloss aufgewachsen und hat sich – nach einigen Jahren in der Fremde, in denen er Baustoffe vertrieb – entschieden, zurückzukommen und allmählich nicht nur das Geschäft mit dem Wein, sondern die Bewirtschaftung des Schlosses mit seinem wundervollen Park und den riesigen Ruinen der früheren Burg, deren Grundmauern im neunten Jahrhundert errichtet wurden. Heute lebt Laguiche mit seiner Familie im Torhaus, seine Eltern wohnen im eigentlichen Schloss, „aber nur in drei oder vier Zimmern“. Und was macht das Foto des niederländischen Königspaares hier? „D’Arlay war einst niederländisch – und noch heute ist König Willem zugleich Baron d’Arlay“, erklärt Laguiche.

Comté und Vin Jaune

An der Pont Saint-Just fließt das Flüsschen Cruisance durch Arbois. (c) max

Tradition wird im Schloss groß geschrieben – doch nicht nur dort: Bereits seit 1740 und in der neunten Generation betreiben die Geschwister Clémentine und Bastien Baud die gleichnamige Domaine in Le Vernois. Familiär geht es zu, fünf Angestellte haben die beiden – und ein Problem: „Weil wir 2021 Mitte April starken Frost hatten, ist die Lese nahezu ausgefallen; jetzt gibt es nicht genug Wein für den Verkauf. Die Nachfrage ist da.“ Im November wollen die beiden das ausgleichen, wenn Bastien, stolzer Inhaber einer der raren Brennerei-Lizenzen, vor Publikum an vier Tagen den „Marc du Jura“ destilliert.

Ebenfalls in der neunten Generation betreiben Nathalie und Emmanuel Grand ihr Unternehmen, das bereits 1685 den ersten Wein angebaut hat. Wie alle anderen Winzer auch sind sie offen für Besucher, die die Keller besichtigen, Weine probieren und womöglich noch einen Blick ins kleine Museum der Familie werfen möchten. Und einen Tipp zur Spezialität der Region geben die Grands interessierten Gästen mit auf den Weg: „Vin Jaune ist sehr vielseitig – er passt mit seinen nussigen und den leichten Aromen von Curry und Brioche nicht nur zu unserem beliebten Käse Comté. Man kann ihn auch als Aperitif trinken, zu Fischgerichten, zu Geflügel, indischen Gerichten, zum Dessert…“

Herrliche Spaziergänge

Aber nicht nur alkoholische Getränke bietet das Jura. Vor allem Wanderer und Radfahrer kommen hier auf ihre Kosten, können wählen zwischen sanften Hängen und den steileren Wegen entlang der zerklüfteten Kalkstein-Platten. Wälder und Seen, Grotten und Wasserfälle bieten unterwegs jede Menge Abwechslung. Und natürlich gilt es, wunderbare Orte mit ihren Highlights zu entdecken, zum Beispiel das als eines der schönsten Dörfer klassifizierte Château-Chalon, hoch auf einem Hügel gelegen und mit einem traumhaften Blick über die Bresse-Ebene, terrassenförmigen Weinhängen, schmalen Gassen und dem interessanten Museum „Maison de la Haute Seille“.

Keller unter dem Château d'Arlay, alte Fässer für Chardonnay. (c) max

Oder das hübsche Baume-les-Messieurs, das von gut 100 Meter hohen Felswänden förmlich eingekesselt ist und sich rund um das 909 gegründete Kloster Saint-Pierre ins Tal schmiegt. Oder L’Etoile, das Ausgangspunkt eines herrlichen Spaziergangs ist, bei dem der Besucher auf einer kleinen Runde rund um das Dorf viel über den Weinbau erfährt. Und am Ende wird – natürlich – eingekehrt. Schließlich liegt das Jura in Frankreich, und da wird immer gut gegessen und getrunken.

 

Weitere Informationen:

Anreise: Mit dem Zug nach Besancon. Per Auto über die A36 Mulhouse – Besancon (mautpflichtig).

Übernachten: z.B. Hôtel Castel Damandre, 18 Rue de la Cascade, F-39600 Les Planches-prés-Arbois, Tel. +33 384 660817, www.casteldamandre.com, hotel@casteldamandre.com; ab etwa 166 Euro/Doppelzimmer, tolles Ambiente im Schloss mit umfangreichen Freizeitmöglichkeiten. Hôtel Hostellerie Saint-Germain, 635 Grande Rue, F-39210 Arlay, Tel. +33 384 446091, www.hostelleriesaintgermain.com, reservation@hostelleriesaintgermain.com; ab 89 Euro/Doppelzimmer, eher sachliches Ambiente, Küchenchef Marc Tupin kocht Regionales auf Sterneniveau. Le Grand Jardin, 6 Place Guillaume De Poupet, F-39210 Baume-les-Messieurs, Tel. +33 384 446837, www.legrandjardin.fr, Email über Website; 3 Zimmer (2 bis 7 Personen) ab 86 Euro/Doppelzimmer, spannende Lage direkt am Kloster, tolles Restaurant mit klarer französischer Küche.

Essen: z. B. Restaurant Bistrônome, 62 Rue de Faramand, F-39600 Arbois, Tel. +33 384 530851, le-bistronome-arbois.com, contact@le-bistronome-arbois.com. Le Bouchon du Château, 2 Rue Saint-Jean, F-39210 Château-Chalon, Tel. +33 384 251860, www.lebouchonduchateau.com, info@lebouchonduchateau.com. Le Grapiot, Rue Bagier, F-39600 Pupillin, Tel. +33 384 374944, legrapiot.com, julieetsamuel@legrapiot.com.

Museen: Maison de Louis Pasteur, 83 Rue de Courcelles, F-39600 Arbois, Tel. +33 384 661172, www.terredelouispasteur.fr, maisonarbois@terredelouispasteur.fr; Öffnungszeiten nach Saison, Führung etwa stündlich, Eintritt Erwachsene 7,00 Euro, Kinder 4,50 Euro. Musée de la Vigne et du Vin du Jura, Château Pecauld, F-39600 Arbois, Tel. +33 384 664045, www.arbois.fr/musee/musee-de-la-vigne-et-du-vin-du-jura, museevignevin@wanadoo.fr; Öffnungszeiten nach Saison, Eintritt Erwachsene 3,50 Euro, Kinder 2,80 Euro. Maison de la Haute Seille, 26 Rue de l’Église, F-39210 Château-Chalon, Tel. +33 384 247605, www.tourisme-chateauchalon.fr, jurahauteseille@gmail.com; Öffnungszeiten nach Saison, Eintritt Erwachsene 2,50 Euro, Kinder 2,50 Euro.

Winzer: Domaines Maire & Fils, En Boichailles, F-39600 Arbois, Tel. +33 664 401454, www.henri-maire.fr, Mail via Website; Kellerbesichtigung, Verkostungen, Shop an der Place de la Liberté in Arbois. Fruitière Vinicole d’Arbois, 2 Rue de Fossés, F-39600 Arbois, Tel. +33 384 661167, www.fruitiere-vinicole-arbois.fr, contact@chateau-bethanie.fr; Verkostungen, Kellerbesichtigung, Shop. Domaine Grand, 139 Rue du Savagnin, F-39230 Passenans, Tel. +33 384 852888, www.domaine-grand.com, contact@domaine-grand.com; Familienmuseum, Kellerbesichtigung, Verkostung, Shop. Château d’Arlay, 2 Route de Proby, F-39140 Arlay, Tel. +33 384 850422, www.arlay.com, contact@arlay.com; Kellerbesichtigung, Parkspaziergänge, Verkostungen, Shop. Domaine Baud, 222 Route de Voiteur, F-39210 Le Vernois, Tel. +33 384 253141, www.domainebaud.fr, info@domainebaud.fr; Kellerbesichtigung, Verkostungen, Shop.