Rotwein-Winzerin des Jahres
Anna Rovira von der kleinen spanischen Genossenschaft Celler de Capçanes in der DO Montsant, der kleinen Nachbarin der berühmten DOQ Priorat (Denominació d'Origen Qualificada), wurde von selection zur "Rotwein-Winzerin des Jahres 2022" gekürt.
Bis in die 1980er Jahre lieferte die 1933 gegründete Genossenschaft ihre Trauben an große Kellereien. Erst eine Anfrage der jüdischen Gemeinde von Barcelona sorgte für eine Belebung der wirtschaftlich gebeutelten Kooperative. Der koschere Wein war binnen kurzer Zeit ausverkauft und die Genossenschaft konnte mehr Geld in Betriebsgebäude investieren. Der eigentliche Aufschwung begann aber Ende der 1990er Jahre, als der heutige Exportmanager Jürgen Wagner, ein Absolvent der Fachhochschule Geisenheim, einer von drei Weinmachern wurde und sich daneben noch um den Absatz der Weine kümmerte. Heute bewirtschaftet Celler de Capçanes rund 180 Hektar Rebflächen in der DO Montsant und mit der jungen Anna Rovira engagierte man eine herausragende Weinmacherin. Die Weinberge erheben sich rund um das Dorf Capçanes auf steilen Hängen und Terrassen und sind durch die Bergkette von Llaberia geschützt. Anna Rovira und ihr Team arbeiten vor allem mit den beiden autochthonen Rebsorten Garnacha Negra und Cariñena, die in großer Höhe wachsen und nur geringe Erträge liefern, meist aus Buschreben. Einige von ihnen sind bis zu 110 Jahre alt. Auf mineralischen, steinigen Schiefer-, Kalk- und Lehmböden entwickeln die Reben eine hochkonzentrierte Fruchtintensität und ein beeindruckendes Geschmacksprofil.
Wolfgang Hubert hat mit der Rotwein-Winzerin des Jahres ein Interview geführt.
Frau Rovira, was reizt Sie denn an roten Sorten und speziell an Garnacha?
Anna Rovira: Mich reizen weiße und roten Sorten gleichauf. Beide haben ein unbegrenzten Potential. Bei roten Rebsorten ist die Harmonie zwischen Tannin, Säure und Alkohol die Herausforderung. Polyphenole sind wie eine weitere, zusätzliche Sphäre, eine weitere Ebene mit der man arbeiten kann. Im Allgemeinen muss und darf man bei Rotweinen auch noch weiter in die Zukunft schauen. Was passiert morgen, wenn ich heute folgendes tue.
Das Potential von Garnacha ist faktisch unerschöpflich. Es geht praktisch alles. Blanc de Noir, Rosé, Rot, mit und ohne Reife. Für den sofortigen Genuss oder für das Alter. Von zart zerbrechlich bis opulent.
Seit wann bauen Sie auch Samso (= Cariñena) an und was gefällt Ihnen bei dieser Sorte?
Anna Rovira: Samso machen wir seit je her. Die Nachfrage war hingegen nie wirklich dafür da. Erst in jüngster Zeit kann man auch mit reinsortigen Samso-Weinen punkten. Die schroffe, robuste Art passt ganz gut in den heutigen Weingeist. Samso ist direkt und geradeaus. Kein Charmeur wie die Garnachatraube, eher der kernige Raufbold.
Wie bauen Sie Ihre Rotweine aus?
Anna Rovira: Immer häufiger mit weniger oder auch gar keinem Holz mehr. Neue Barriques haben wir nur noch wenige. Und die Fassgrösse liegt heute bei 300, 500 oder 3000 Liter. Die Maischestandzeiten werden immer kürzer. Und ich liebe es, mit reifen, verholzten aber auch mit noch grünlich, im Saft stehenden Rappen zu vinifizieren.
Welches Image hat die DO Montsant?
Anna Rovira: Ein ausgezeichnetes Image. Das Qualitätsniveau und die Vielfalt an Stilistiken ist großartig. Die Winzerkollegen eine Wucht. Die DO Montsant hat sich in nur 20 Jahren, seit der Gründung, zu einer festen Größe entwickelt. Dank Geduld, Beständigkeit, Bescheidenheit und Kreativität hat sie sich auf Augenhöhe neben der DOQ Priorat etabliert. Vom Image des kleinen Bruders ist nichts mehr geblieben.
Welche Projekte stehen in nächster Zeit an?
Anna Rovira: Die Zukunft ist ganz den Weinbergen gewidmet. Und den neuen Herausforderungen, die die Klimaveränderungen mit sich bringen.
Frau Rovira, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.