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Substanz und Reife

Seitdem Stefan Doktor das Zepter übernommen hat, ist viel passiert im Rheingau-Traditionsbetrieb Schloss Johannisberg. Durch umfangreiche Investitionen in Keller und Gebäude, sowie durch die produktionelle Trennung von Mumm von Schloss Johannisberg sind viel Raum für Neues und kreative Ideen entstanden. Vor allem aber hat sich der Stil der Weine verändert. Stefan Doktor hat den Weinen eine klare Linie und Kontur mit burgundisch orientiertem Flair, Substanz und Tiefe gegeben. Sie sind einerseits klarer und präziser, andererseits auch fester und doch finessenreicher geworden. Wie löblicherweise generell im Rheingau, sind die Weine inzwischen wunderbar trocken. All diese Anstrengungen haben dazu geführt, dass das "Älteste Rieslingweingut der Welt" wieder zurück an der Spitze ist, wo es schon vor mehr als 100 Jahren figurierte.

Der Lack gibt den Ton an

Es gibt jetzt nur noch vier trockene Weine, die nach Lackfarben geordnet sind und jeweils immer ein Jahr verzögert auf den Markt kommen. Neu dabei sind der Bronzelack (ehemals der alte Kabinett trocken) sowie oberhalb des Großen Gewächses der "Goldlack". Dieser reift zwei volle Jahre im großen Stückfass im historischen Schlosskeller, also in der berühmten Bibliotheca subterranea. Aktueller Jahrgang ist also 2019. "Ich bin sicher, dass er hier auch von der konstanten Temperatur und der Ruhe profitiert", erzählt mir Stefan Doktor während meines Besuchs. Er hatte mich eingeladen, mit ihm die gesamte Kollektion zu verkosten, was immer ein großer Spaß ist, weil er als Sommelier exzellent verkostet.

Die aktuelle Kollektion – Goldlack thront über allen

Während sich der "Gelblack" (16.5/20) wieder ungemein duftig und präzise zeigt, ist er im Mund etwas charmanter und etwas restsüßer als im Vorjahr. Das ist dem Jahrgang geschuldet. Der Bronzelack (17/20) zeigt dagegen, neben einer feinen, kühlen Rieslingfrucht, schon eine ansprechende und ernsthafte Tiefe mit erdigen Noten. Der "Silberlack" (18/20) liegt neun Monate auf der Vollhefe im großen Holzfass und punktet mit seiner wunderbar ätherisch-minzigen Art, sowie mit Anklängen, die an Zitronengras und nassen Kies erinnern. Dazu gibt es den etwas schlankeren, ziemlich kompromisslos zupackenden, fast schon kargen 2020er-Riesling "Ex-Bibliotheca subterranea" – 1800 Magnumflaschen. Über alldem thront der "Goldlack". Die frucht- und edelsüßen Rieslinge sind in der Regel etwas niedriger im Restzucker und haben dadurch eine höhere Spannkraft. So kommt der Kabinett mit schlappen 24 Gramm aus, während die Spätlese mit 80 Gramm schon kräftiger ausfällt. Dazu gibt es zwei Auslesen, die stilistisch unterschiedlich daherkommen, auch weil in der Version der Ex-Bibliotheca der Wein sechs Monate auf der Hefe im großen Holzfass liegt. Wir haben lange darüber gesprochen, welche von beiden Auslesen ich vorziehe. In diesem Fall bewerte ich beide gleich (18+-18.5/20), wobei der normale "Rosalack" sehr klar, schlank und präzise ist und mehr die Linearität betont, während Letzterer nobler und erhabener wirkt.

Wein von zeitloser Schönheit

2019 Schloss Johannisberger "Goldlack": In sich ruhendes, aristokratisches Bouquet mit nobler, sehr kühler Frucht. Ein Hauch von Mirabelle, Orangenschale, Bergamotte und ein aparter Touch von Sandelholz und orientalischen Gewürzen. Im Mund durch und durch ein Gentleman, erhabener Auftritt mit feinem Schmelz, konsequent trocken mit burgundischer Fülle, dabei aber total durchtrainiert mit dem Körperbau eines Triathleten. Wunderbare Balance, dabei tiefgestaffelt und mit großer Länge. Ein Wein von zeitloser Schönheit.

Weinwisser-Chefredakteur Giuseppe Lauria vergibt 19+/20 Punkte. Das Trinkfenster gibt er mit 2024 bis 2038 an. Der Schloss Johannistaler "Goldlack" kostet derzeit rund 199 Euro je Flasche. Es gibt ihn unter anderem im Schloss Johannisberg.

Grandiose Beerenauslese

2021 Schloss Johannisberger "Purpurlack" - Beerenauslese: Komplexes, ungemein druckvolles, intensiv ausladendes Bouquet mit Aprikosentatar, Zimt und Orangenschale. Eine schöne spätherbstliche Duftorgie mit dem Eindruck sauberer Botrytis. Im Mund ungemein schmelzig, dabei voller Spannung und Spiel, mit deutlich salzigen Anklängen, die an Salzkaramell erinnern, im köstlichen Finale mit einer animierenden Mandarinennote. Grandios.

Weinwisser-Chefredakteur Giuseppe Lauria vergibt 19,5/20 Punkte. Das Trinkfenster gibt er mit 2033 bis 2070 an. Der Schloss Johannistaler "Purpurlack" kostet derzeit rund 160 Euro je Flasche (0,375 Liter). Es gibt ihn unter anderem im Schloss Johannisberg.

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