Kunstvolle Weine
Weine mit von Künstlern gestalteten Etiketten, braucht man das? Manche Weintrinker halten das für völlig überflüssig, andere kaufen diese Weine gerade deswegen. Daher nun ein Blick zurück und einer in die Gegenwart.
Die Kunst liegt im Auge des Betrachters. Erst recht auf Weinetiketten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das "Hommage 1988" Etikett des kalifornischen Weinguts Clos Pegase. Es zierte ein Gemälde des französischen Künstler Jean Dubuffet (1901 - 1985) mit dem Titel "Nu Chamarré", Geschmückter Akt. Dem Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms, das 2003 in das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives umgewandelt wurde, war ein Teil des abgebildeten männlichen Körpers eindeutig von zu explosiver Wirkung. "Although abstract, the figure is clearly made" und "we are forced", den harmlosen Mann optisch zu beschneiden, begründete die Behörde damals ihr Einschreiten. Mit dem Ergebnis, dass auf dem neuen Etikett die Figur nur noch bis zur Hüfte abgebildet werden durfte. Doch diese Zensur wurde publik, fast jede Zeitung amüsierte sich darüber und druckte das Originalgemälde in voller Größe ab. Der damalige Besitzer von Clos Pegase, der Kunstliebhaber Jan Shrems, brachte daraufhin eine einzige Flasche mit dem ursprünglichen Etikett in Umlauf und wenig später wurde der Wein auf einer Auktion für 3.500 US-Dollar versteigert.
Die Anfänge kunstvoller Weine
Nun war das Etikettenverbot eine große Ausnahme in der Geschichte der Künstler-Weine und daher sind heute derartig geschmückte Weine aus rein gewinnorientierter Hinsicht überwiegend nicht besonders interessant. Es sei denn, man kauft diverse Jahrgänge Château Mouton Rothschild und setzt auf den Wertzuwachs des Flascheninhalts. Obwohl es durchaus einen gewissen inoffiziellen Markt für ausgetrunkene Flaschen gibt, sofern das Etikett unbeschädigt ist. Der geschätzte Wert aller leerer Jahrgänge mit Künstleretiketten von Mouton Rothschild liegt im fünfstelligen Bereich. Dazu müsste man aber seit dem Jahrgang 1945 alle Flaschen besitzen. Damals beschloss Baron Philippe, "um ein Zeichen zu setzen zu Ehren des Friedens und auch um einen Neubeginn anzukünden, dass der 1945er Jahrgang, passenderweise ein Jahrhundertwein, das 'Jahr des Sieges der Alliierten' verewigen sollte." Dieses Etikett gestaltete der junge Maler Philippe Jullian und im Laufe der Zeit kamen Berühmtheiten wie Jean Cocteau, Georges Braque, Salvador Dali, Keith Haring, Georg Baselitz oder Francis Bacon, um nur einige Namen zu nennen, dazu.
Die ersten Künstleretiketten gab es aber bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Damals verzierten einige Winzer ihr Weine gerne mit Werken mehr oder weniger bekannter Maler. Die beliebtesten Motive waren damals Landschaften oder Szenen aus Dramen und Heldensagen. Später kamen Motive des Jugendstils dazu.
Für Sammler interessant sind Weine mit jährlich wechselnden Etikettenmotiven. Oder die Taittinger Collection, für deren Champagner renommierte Künstler wie Vasarely, Roy Lichtenstein, Hans Hartung und aktuell Sebastião Salgado sogar die gesamte Flasche vollständig umhüllten. Für die aktuellen Champagnerjahrgänge muss man rund 250 Euro investieren, für ältere mindestens das Doppelte.
Die Gegenwart
Kritiker der Künstler-Weine glauben, dass man für die Etikettengestaltung zahlen müsse und der Flascheninhalt dieses Geld aber nicht wert sei. Nun, das mag bei manchen Weinen zutreffen. Aber in der Regel werden die Künstler entweder mit Weinen des jeweiligen Winzers entlohnt oder das Weingut kauft das Bild und die Druckrechte, was die Weine je nach Winzerphilosophie entweder gar nicht oder nur unwesentlich verteuert. Und Weine wie der Château Mouton Rothschild oder der Berg Schlossberg Riesling vom Rheingauer Weingut Georg Breuer haben ihren Preis nicht wegen der Etiketten, sondern wegen ihres Inhalts.
Für die meisten Winzer, die noch heute derartige Etiketten einsetzen, ist das quasi zum Markenzeichen geworden. Doch zugegeben, als in den 1980er und 1990er Jahren die Künstleretiketten beinahe inflationäre Ausmaße annahmen, selbst einige Winzergenossenschaften statteten damals manche ihrer Weine damit aus, entsprach der Inhalt nicht immer dem, was das Äußere erwarten ließ. Gelegentlich waren damals auch Etiketten zu bestaunen, die von reinen Hobbymalern gestaltet wurden und nicht gerade Genuss boten, leider auch in geschmacklicher Hinsicht.
Was damals auszuufern drohte, ist heute eher zur Seltenheit geworden. Weine mit jährlich wechselnden Künstleretiketten bieten neben Rothschild oder Breuer vor allem Nittardi aus der Toskana an. Das Weingut Jurtschitsch aus Österreich oder Klaus Zimmerling aus Sachsen arbeiten dagegen seit Jahren jeweils mit einem Künstler zusammen.
Was man von der Kunst auf Flaschen hält, bleibt jedem selbst überlassen. Ich finde es jedenfalls schön, qualitativ gute Weine mit einem Künstleretikett in der Hand zu halten und hebe gelegentlich die Etiketten mit oder ohne Flasche auf.
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