Klimawandel im Weinberg
Jahrelang kam der Klimawandel Deutschlands Winzer entgegen. Riesling, Spätburgunder & Co konnten optimal ausreifen. Doch viele Winzer schlagen jetzt Alarm.
Bereits im Jahr 2013 schrieb ich in der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" einen umfassenden Artikel über die Folgen des Klimawandels im deutschen Weinbau mit seinen negativen, aber auch vorübergehend begrenzten positiven Seiten. Seither hat sich einiges verändert, jedoch weniger zum Guten. Bei den meisten Winzern ist das Thema mittlerweile präsent bis sehr präsent. Doch, das kennt man nicht nur aus Zeiten von HIV oder Corona, glauben auch immer noch etliche Winzer, dass der Klimawandel Blödsinn sei. Nun gut, die Mehrzahl der US-Republikaner inklusive ihres einstigen Präsidenten, dessen Namen ich nicht mehr nennen mag, hält den Klimawandel wohl auch für eine Erfindung irgendwelcher dunkler Gruppierungen und vom Ausland gesteuerter Aktivisten.
Es gab damals schon Warnungen
Zugegeben, noch 2013 war man in Bezug auf den Ausblick für deutsche Winzer teilweise etwas zuversichtlicher. So berichtete mir damals Dr. Walter K. Kast, Abteilung Weinbau an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg, es bestehe kein Grund zur Panik. „Die Winzer profitieren im Moment deutlich von den Veränderungen, denn wir haben im Sommer ein mediterranes Klima, so dass zum Beispiel auch Sorten wie Syrah in Deutschland hervorragende Qualitäten liefern.“
Auch der heute pensionierte Dr. Hermann Kolesch, damals Leiter der Abteilung Weinbau an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau im fränkischen Veitshöchheim, meinte damals: „Die nächsten 20 bis 30 Jahre werden wir allen Herausforderungen zum Trotz bei spätreifenden Sorten international zu den Gewinnern zählen und qualitativ hochwertige Ernten einfahren.“ Zugleich aber warnte er auch vor gravierenden negativen Folgen. "Die größten Herausforderungen bestehen derzeit in den Extremen Hitze und Starkregen mit Hagel, aber auch Spätfröste im Mai“, meinte er damals. Und behielt leider Recht, auch bei den Spätfrösten. Denn das Schadensrisiko wird weiter ansteigen, da die meisten Rebsorten durch den Klimawandel immer früher austreiben und durch Spätfröste gab es in den letzten Jahren immer wieder zweistellige Ernteeinbußen in verschiedenen Gebieten.
Auch Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, Präsident der Hochschule Geisenheim, meinte damals. „Der deutsche Weinbau hat ganz klar vom Klimawandel profitiert und wird es noch eine Zeitlang tun, auch über die nächsten 20 Jahre hinweg." Gleichzeitig warnte er. "Sorgen machen muss man sich über Wetterlagen wie beispielsweise dieses Frühjahr mit Flut. Da sagen die Modelle, dass so etwas häufiger wird." Auch er behielt leider Recht.
Was Winzer dazu meinen
Blicken wir nochmals auf 2013 zurück. Während damals in den südlichen europäischen Ländern oder Australien ganze Weinbaugebiete vertrockneten, konnten sich die deutschen Weinbauern noch freuen. „Wir spüren den Klimawandel, aber bislang eher sehr positiv. Aus unreifen Riesligen sind Trauben für großartige trockene Weine geworden“, schwärmte Klaus-Peter Keller vom rheinhessischen Top-Weingut Keller. „Die deutsche Qualitätsoffensive wäre ohne klimatische Unterstützung nicht möglich gewesen.“ Aber irgendwann, so seine damalige Ansicht, werde die Reise wohl nach Norden gehen. „Wir haben 2008 einen Weinberg in Kristiansand an der Südspitze Norwegens gepflanzt, mit Riesling und Pinot.“
Derzeit gilt: Die verschiedenen Reifeprozesse werden durch die erhöhten Temperaturen nicht in gleichem Maß beschleunigt. Am stärksten ist der Abbau der in den Beeren enthaltenen Säuren betroffen, am wenigsten die Aromenbildung. Wartet man in heißen Jahren ab, bis die Trauben genügend Aroma gebildet haben und auch optisch erkennbar reif sind, dann kann der Zuckergehalt schon deutlich über dem Optimum liegen und zu erhöhten Alkoholgehalten führen. Der Säuregehalt dagegen kann viel zu niedrig sein, mit der Folge, dass die Weine breit und brandig wirken. Zu früh gelesenen Trauben fehlt dagegen noch die physiologische Reife, die Weine werden oft dünn, unharmonisch und, bei Rotwein, gerbstoffbetont, haben kein schönes Bukett und altern schneller.
Aktuell befürchten Winzer, dass gerade die Paradesorte Riesling in den nächsten Jahren unter dem Klimawandel leiden würde. Deutschland ohne Riesling? Undenkbar, aber leider nicht unmöglich. Winzer, Wissenschaftler, aber auch wir Konsumenten müssten jedenfalls einiges unternehmen, um durch entsprechende Anpassungsstrategien unsere Rebsortenidentität weitgehend zu behalten. Die Wein-Welt sollte künftig nicht nur aus Cabernet, Merlot, Syrah und Chardonnay bestehen.
Darüber aber ein anderes Mal mehr.
Wolfgang Hubert arbeitet als Weinjournalist, Weinkritiker und Buchautor. Seit vielen Jahren ist der Nürnberger Chefredakteur und oberster Weinjuror bei „selection“. In der Rubrik "Hubert's Weinecke" schildert er über seine persönlichen Ansichten rund um Weinthemen.
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