Deutsche Roséweine werden immer beliebter
Die erstaunliche Verwandlung der deutschen Roséweine von einem faden Allerweltsgesöff im Sommer zum beliebten Ganzjahresgetränk ist beeindruckend. Heute bieten diese Weine eine beachtliche Geschmacksvielfalt, die man vor nicht allzu langer Zeit kaum für möglich gehalten hätte.
Wer vor einigen Jahren einen Rosé aus Deutschland getrunken hatte, dem waren mitleidsvolle Blicke garantiert. Schließlich war es lange Zeit üblich, Roséweine nur aus un- oder überreifen roten Trauben zu produzieren. Nach dem Motto: "Was zum Rotwein nicht taugt, kann noch als Rosé verkauft werden." Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, selbst wenn es nach wie vor Winzer gibt, die daran wohl aus finanziellen Gründen festhalten oder keinen Anlass sehen, ihre Klientel mit wenigstens ansprechenden Weinen zu versorgen. Doch generell lässt sich feststellen, das zeigen auch unsere Verkostungen, dass man dieser Weinkategorie mittlerweile genauso viel Aufmerksamkeit schenkt wie den Weiß- und Rotweinen. Immerhin liegt der Anteil im Weinsegment bei rund 12 Prozent, mit steigender Tendenz. Rosé ist also eindeutig zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor der deutschen Winzer geworden.
Vorbei auch die Zeiten, als ein Rosé nur im Sommer konsumiert oder verkauft wurde. Diese Weine gelten heute als Begleiter durch das ganze Jahr. Während sie in der Regel bei 9 bis 13 Grad genossen werden, können sie in der warmen Jahreszeit ruhig noch weiter heruntergekühlt werden, da sie sich aufgrund der Außentemperaturen schneller erwärmen. Und ein warmer Rosé schmeckt nicht wirklich.
Trendwende
Wie es dazu kam, dass deutscher Rosé seinen Status vom ungeliebten Stiefkind zum begehrten Begleiter ändern konnte, lässt sich nicht genau feststellen. Einer der Gründe liegt sicher in der Beliebtheit französischer Roséweine, speziell aus der Provence, die auf dem deutschen Markt gelegentlich sogar Kultstatus genießen. Ein anderer Grund dürften kritische Berichte über deutsche Rosés in der Presse gewesen sein, dazu Gespräche zwischen Weinjournalisten und potenziellen Erzeugern. Das ließ natürlich ehrgeizige deutsche Winzer auf Dauer nicht gleichgültig. Und nachdem diese mit ihren neuen Rosés Erfolge in der Presse und im Abverkauf feierten, setzte sich auch bei den meisten anderen Produzenten die Erkenntnis durch, dass Rosé mehr sein kann als der Versuch, aus qualitativ mäßigen Rotweintrauben noch irgendetwas Flüssiges mit Alkohol herzustellen.
Heute kann man unter einer Vielzahl feiner deutscher Roséweine wählen, vom trockenen bis lieblichen Easy-Drinking-Typ bis zum im Barrique ausgebauten, schweren Geschmackskaliber, der selbst im Winter als Essensbegleiter eine starke Figur macht.
Mittlerweile gilt: In der Nase und auf der Zunge ist überzeugende Vielfalt geboten. Oder, wie es Victoria Bretz, Juniorchefin bei unserem "Roséweingut des Jahres 2022", formuliert: "Von Himbeere, Erdbeere und Waldbeeraromen bis hin zu grünen und würzigen Nuancen ist alles mit dabei." Für jeden Geschmack etwas, na also, geht doch.
Übersicht der Begriffe
Rosé
Ein Rosé darf in fast allen Fällen nur aus roten Trauben bestehen. Es muss keine Rebsorte auf dem Etikett stehen und manche Rosés werden aus mehreren Sorten erzeugt. In Hinsicht auf den Restzuckergehalt gibt es keine Beschränkungen.
Weißherbst
Ein Weißherbst darf ausnahmslos nur aus einer roten Traubensorte bereitet werden. Er muss zudem zu mindestens 95 Prozent aus hell gekeltertem Most bestehen. Ein Nachfärben von Weißherbst mit Rotwein, natürlich nur mit derselben Rebsorte, ist aber bis zu einem Anteil von maximal 5 Prozent möglich. Außerdem darf die Bezeichnung Weißherbst nur für Qualitäts- und Prädikatsweine verwendet werden. Eine Geschmacksrichtung ist nicht festgelegt. Eine Rebsortenbeschränkung gibt es nicht, sofern die rote Sorte in Deutschland zugelassen ist. Auf dem Etikett muss der Rebsortenname deutlich angegeben werden.
Rotling
Die Bezeichnung Rotling ist erlaubt, wenn der Wein aus weißen und roten Trauben oder aus deren Maischen bereitet wird.
Schiller
In Württemberg, und nur dort, darf ein Rotling die Bezeichnung Schillerwein tragen, sofern es sich um einen Qualitäts- oder Prädikatswein handelt.
Badisch Rotgold
In Baden darf sich ein Rotling auch Badisch Rotgold nennen, wenn er ausschließlich aus Grauburgunder und Spätburgunder besteht und es sich um Qualitäts- oder Prädikatsweine handelt.
Schieler
Diese Bezeichnung ist für einen Rotling aus Sachsen zugelassen.
Saignée-Methode
Bei dieser Variante handelt es sich sozusagen um ein Vorentsaften. Das heißt, bei der Rotweinbereitung wird ein Teil des Saftes für Rosé oder Weißherbst abgezogen, so dass schließlich der verbleibende Rotwein farbintensiver wird.
Wolfgang Hubert arbeitet als Weinjournalist, Weinkritiker und Buchautor. Seit vielen Jahren ist der Nürnberger Chefredakteur und oberster Weinjuror bei „selection“. In der Rubrik "Hubert's Weinecke" schildert er über seine persönlichen Ansichten rund um Weinthemen.
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