Vegane Weine
Der Hype um vegan macht auch vor dem Rebensaft nicht halt. Allerdings gehen bislang die meisten Konsumenten immer noch davon aus, dass im Wein keine tierischen Stoffe enthalten sind.
Bis vor rund acht Jahren war für den badischen Bio-Winzer Matthias Höfflin die Weinwelt noch unkompliziert aufgeteilt. Es gab Weine mit oder ohne Bio-Siegel und die Kunden konnten sich entsprechend danach orientieren. Aber dann kamen auf einmal ständig Anfragen per Telefon, ob seine Weine denn auch vegan seien. Das konnte er jedoch erst nach einschlägigen Studien der Bedingungen positiv beantworten. So wie ihm ging es auch anderen Winzern und Händlern. Etwa Deutschlands größtem Bio-Weinanbieter. Peter Riegel Weinimport hatte zwar schon immer vegane Weine im Sortiment, aber erst als sich der Trend seit 2014 entwickelte und es vermehrt gezielte Nachfragen von Kunden gab, begann man die Weine auch als vegan zu kennzeichnen. Wie groß allerdings der Markt wirklich ist, weiß man im Grunde nicht. Genaue Zahlen zu veganen Weingütern oder dem Verkauf von veganem Wein liegen nicht vor. Es wird nur eine generelle Zunahme festgestellt.
Vegane Alternativen
Viele Käufer gehen einfach davon aus, dass Wein vegan ist und reagieren oft mit Erstaunen. Das stellte etwa Ralf Kreutner, Verkaufsleiter der Winzergenossenschaft Oberbergen, fest. Seit die Genossen aufgrund der Nachfrage von Kunden und auf Initiative einer Handelsagentur den kompletten Jahrgang ihres Weißen Burgunders vegan ausgebaut hatten, tauchte häufiger die Frage auf, was denn an einem Wein nicht vegan sei.
Doch da gibt es einige Punkte. Das aus Milch hergestellte Casein bindet nicht nur Trübstoffe, es kann ebenso zur Behandlung von Fehltönen wie beispielsweise Essigstich verwendet werden. Eine Eiweißschönung mittels Hühnereiweiß wird wiederum bei Rotweinen durchgeführt, um den Gerbstoffgehalt zu vermindern und damit den Wein etwas milder zu machen. Die Hausenblase, eine getrocknete Schwimmblase, die früher von der Störart Hausen, heute meist von anderen Fischen stammt, wird ebenso wie tierische Gelantine eingesetzt, um unerwünschte Fest- oder Trubstoffe zu binden, die im fertigen Wein zu Geschmacksfehlern oder Trübungen führen könnten. Außerdem kann noch Lysozym, ein aus Hühnereiweiß gewonnenes Enzym, eingesetzt werden. Bei Käse wird es zur Vermeidung von Fehlgärungen bei der Herstellung, in der Weinwirtschaft zur Verhinderung von spontanem Biologischen Säureabbau verwendet.
Doch man kann stattdessen problemlos vegane Alternativen einsetzen, die keinerlei Auswirkungen auf den Geschmack haben. Etwa das Tonmineral Bentonit, vegetabile Gelatine, Kieselsol oder Agar-Agar, um die Weine zu stabilisieren und Aktivkohle kann zur Beseitigung von Farb-, Geruchs- und Geschmacksfehlern verwendet werden. Strikte Veganer legen zudem Wert darauf, dass auch die Etiketten auf den Flaschen nur mit Leim auf pflanzlicher Basis und nicht etwa mit Knochenleim verklebt sind.
Unterschiedliche Akzeptanz
Bemerkenswerterweise gibt es beim Absatz ein Gefälle zwischen Stadt und Land. In größeren Städten läuft der Verkauf besser. Aber in Märkten, in denen vegane Gewächse ausschließlich im Weinregal stehen, läuft der Absatz eher schleppend. Offensichtlich kann der klassische Weinkäufer mit dem Zusatznutzen „vegan“ nach wie vor wenig anfangen.
Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass es, im Gegensatz zum Bio-Weinbau, für vegane Weine bisher noch kein einheitliches europäisches Siegel gibt, da die europäische Gesetzgebung aktuell keine Grundlage für die Deklaration veganer Weine hat. Deshalb nutzen Winzer entweder Logos von Organisationen wie der Vegan Society of England, der Europäischen Veganer-Union oder dem Vegetarierbund Deutschland. Oder der Wein wurde, wie bis 2020 bei der Winzergenossenschaft Oberbergen, durch das Wort „vegan“ und ein stilisiertes „V“ gekennzeichnet. Diesen Wein gibt es mangels Nachfrage im Handel mittlerweile nicht mehr.
Bei der Diskussion über die Zukunftschancen veganer Weine gibt es daher noch einen eher gebremsten Optimismus. Denn viele Veganer trinken keinen Alkohol. Das aber dürfte sich ändern. Denn die Anzahl der Deutschen, die sich selbst als Veganer einordnen, sind laut einer Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um rund 12 Prozent auf 1,58 Millionen gestiegen.
Wolfgang Hubert arbeitet als Weinjournalist, Weinkritiker und Buchautor. Seit vielen Jahren ist der Nürnberger Chefredakteur und oberster Weinjuror bei „selection“. In der Rubrik "Hubert's Weinecke" schildert er über seine persönlichen Ansichten rund um Weinthemen.