Aufbesserung von Weinaromen
Es geht in diesem Fall aber nicht um hinzugefügte Aromen oder Hefezusätze, sondern um die auf natürliche Art entstehenden Geruchs- und Geschmacksnoten mit Hilfe von weinbergsnahen Pflanzen.
Eine meiner ersten Weinreisen ins Ausland führte mich in den Norden Portugals, in die Douro-Region. Dort war ich mit dem heutigen Star-Winzer Dirk Niepoort verabredet, der Mitte der 90er Jahre gerade dabei war, mit Hilfe von Ardau Weinimport auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Bei zahlreichen Weinverkostungen aus der Region mit Dirk, der damals seine ersten Versuche mit Rotweinen unternahm, obwohl seine Familie bislang nur durch Portweine bekannt war, begegneten mir immer wieder Rotweine mit einer Eukalyptusnote. Es stellte sich später heraus, dass in der Umgebung der entsprechenden Weinberge auch Eukalyptusbäume wuchsen. Nun wussten viele Winzer zwar, dass das kein purer Zufall sein könne, aber genauere Erkenntnisse darüber gab es im Grunde nicht.
Mehr Licht ins Dunkel der Vermutungen bringt nun eine langjährige Studie des spanischen Forschungszentrums Institut Català de la Vinya i el Vi. Sie ging der Frage nach, inwiefern die im Weinberg vorherrschende Pflanzenwelt die Aromen der erzeugten Weine beeinflussen könnte. Für dieses Projekt wurde eine Arbeitsgruppe mit Weingütern aus verschiedenen spanischen Regionen gebildet. Das Ziel war, Übereinstimmungen zwischen den Aromen der Pflanzen in der Landschaft und den dort wachsenden Weinen zu finden und zu analysieren. Das Ergebnis der dreijährigen Studie lautete, dass Düfte und Aromen von Pflanzen und Blumen wie Eukalyptus, Rosmarin oder Veilchen tatsächlich auch in den Weinen wiederzufinden sind.
Für die umfassende Studie wurden 168 Pflanzen identifiziert, die in den untersuchten Weinbergen oder in deren Umgebung vorkommen. Dabei zeigte sich, dass jede Parzelle ein bestimmtes botanisches Umfeld hat, was zu einem speziellen aromatischen Fingerabdruck führt. Aus den Pflanzen jedes einzelnen Weinberges wurden Extrakte destilliert, die über Gaschromatographie mit 73 aromatischen Verbindungen aus den entsprechenden Weinen der Jahrgänge 2020 und 2021 verglichen wurden. Zu diesen Verbindungen gehören die Norisoprenoide Ionon und Damascenon, die blumige und fruchtige Aromen wie Veilchen, Apfel und Pflaume aufweisen und in aromatischen Pflanzen vorkommen. Auch wurden Terpene wie Terpienol in den Weinen gefunden, die in Rosmarin vorkommen, der in allen untersuchten Weinbergen wuchs. Diese Verbindungen wurden in 17 Familien unterteiltteilt. Zu den in den Weinen identifizierten und in den Pflanzen gefundenen Aromen gehören Terpene wie Terpienol mit einem Zitrusaroma oder Phenole wie Eugenol mit einem würzigen Aroma. Die Ergebnisse wurden durch eine sensorische Analyse der Weine untermauert.
Die interessantesten Schlussfolgerungen dieser Studie sind, dass es Übereinstimmungen zwischen den Aromen der Pflanzen und den Aromen der Weine gibt. Die Pflanzen in der Umgebung der Weinberge beeinflussen das Aromenprofil der Weine. Damit tragen sie zum speziellen Charakter von Weinen bei und zählen somit zum Bestandteil des Terroirs. Alba Balcells, die Generaldirektorin des durchführenden Forschungszentrums, folgert daraus: „Mit einer besseren Kenntnis der aromatischen Pflanzen und der Aromen, die der Wein hat, wird es auch möglich sein, die Einzigartigkeit der Weine jeder Weinkellerei und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.“
Sehr bemerkenswert ist auch die Ansicht von Joan Ignasi Domènech, dessen Familie aus der Nobel-Region Priorat stammt, und mit seiner Weinkellerei Vinyes Domènech an der Studie beteiligt war. "Für die Weinkellereien ist die biologische Vielfalt von grundlegender Bedeutung, da sie als Prinzip des regenerativen Weinbaus verstanden wird und ein Schlüsselfaktor ist, um die Einzigartigkeit der Umgebung des Weinbergs durch die Qualität und die Aromen der Weine zum Ausdruck zu bringen."
Daher sei es notwendig, so die Studienautoren, dass die biologische Vielfalt wiederhergestellt, erhalten oder verbessert wird. Das, so die Forscher, würde den Weinen einen eigenständigen Charakter und entsprechend einen Mehrwert verleihen. Dazu seien aber bessere Kenntnisse der botanischen Landschaft der Weinberge wichtig. Spannend wäre nun, ob es durch das Anpflanzen von aromagebenden Pflanzen etwa in deutschen Weinbergen künftig auch Rotweine mit Eukalyptusnoten geben wird.
Wolfgang Hubert arbeitet als Weinjournalist, Weinkritiker und Buchautor. Seit vielen Jahren ist der Nürnberger Chefredakteur und oberster Weinjuror bei „selection“. In der Rubrik "Hubert's Weinecke" schildert er über seine persönlichen Ansichten rund um Weinthemen.